Donnerstag, 31. Dezember 2015

Schon wieder ist ein Jahr vergangen

Schon wieder ist ein Jahr vergangen. Warum kommt es einem mit fortschreitendem Alter eigentlich immer schneller vor, dass wieder ein Jahr vorbei ist?

2015 war ein besonderes Jahr für mich. Obwohl das Besondere eigentlich schon Ende 2014 begann, als ich nach langem Überlegen mich geschlossen habe, eine meiner Geschichten tatsächlich zum Verkauf anzubieten. Schon seit fünf Jahren habe ich Geschichten geschrieben und im Internet veröffentlicht, aber es war dennoch etwas ganz anderes, wenn es plötzlich Menschen gibt, die sogar bereit sind, Geld dafür auszugeben, meine Geschichten zu lesen. Ohne das ständige Drängeln einiger Freunde wäre es wohl nie hierzu gekommen.

Das erste Buch wird wohl immer einen besonderen Platz einnehmen. Das Herzklopfen und die Aufregung, bis ich mich entschlossen habe, den letzten Knopf zur Veröffentlichung zu drücken, werde ich ebensowenig vergessen, wie die spannenden Momente beim Nachschauen, ob es tatsächlich Käufer gibt. Es gab sie und ich danke allen Lesen für das Vertrauen und die Treue, die meine alten und neuen Geschichten auch im Verkauf unterstützen. Ganz besonderer Dank geht aber auch an Caro Sodar, ohne deren wunderbare Cover es keine Bücher von mir gäbe. Bildbearbeitung oder auch nur visuelle Vorstellungskraft gehören definitiv nicht zu meinen Kernkompetenzen.
Neben dem Überarbeiten alter und dem Schreiben neuer Geschichten hat auch das reale Leben, der Job, der mir erlaubt, meinem Hobby befreit nachzugehen, mehr Zeit und Energie von mir gefordert. Manchmal ist es ein Drahtseilakt, die Zeit so zu nutzen, dass sie beiden Seiten gerecht wird. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, mich von einigen Verpflichtungen zu trennen und hoffe so, im neuen Jahr meine kreative Energie wieder vermehrt in das Vollenden der vielen angefangenen Geschichten auf meinem Rechner nutzen zu können. Aber auch einige altbekannte Paare warten noch darauf, in die große weite Welt entlassen zu werden.

Auf der Leipziger Buchmesse durfte ich das aufregende erste Mal als Autor eine solche Messe erleben und es war spannend und toll, Lesern und anderen Autoren in so großer Menge zu begegnen und den Nicknamen und Avataren auch endlich Gesichter zuordnen zu können.
Es gibt leider auch Plattformen, die in 2015 an Reiz verloren haben. Dazu gehört leider auf Fanfiktion. de, der ich vieles in der Vergangenheit zu verdanken habe. Aber Zeiten ändern sich und es ist dann wohl auch gut, wenn man als Mensch den Weg mitgeht.

Seit ich im Internet unterwegs bin, habe ich viele nette Menschen kennengelernt. Neben den rein virtuellen Bekanntschaften konnte ich in den vergangenen Jahren aber auch etliche Freundschaften ins echte Leben bringen, die mich sehr freuen. Wenn man dann noch am gleichen Ort lebt, ist es natürlich einfacher, sich tatsächlich zu treffen und gemeinsam Dinge zu unternehmen. Aber auch orts- und sogar länderübergreifend ist es uns gelungen, mit unserem spontanen Trip zum CSD nach Hamburg eine wunderbare Erinnerung an das Jahr 2015 hinzuzufügen. Ich hatte selten ein so harmonisches und lustiges Wochenende mit einer Gruppe, die sich im Grunde vorher überhaupt nicht kannte. Ich freue mich schon sehr auf die ins Auge gefasste neue Reise in 2016!

Wenn ich mir etwas für das neue Jahr wünschen könnte, wäre es wohl die Chance, etwas Zeit kaufen zu können. Neben der Arbeit und der Familie bleibt leider immer viel zu wenig Zeit zum Schreiben, zum Lesen, fürs Theater und Musical, für Konzere, zum Sport (aktiv und passiv) ...  Es gibt so vieles, für das ich mich interessiere, aber die Stunden sind leider gezählt. Hoffentlich gelingt es mir 2016 noch etwas besser, alles in Einklang zu bringen.

Nun bleibt mir nicht viel mehr, als euch allen noch einmal zu danken und uns allen gemeinsam in der Community ein tolles Jahr 2016 zu wünschen.

Happy New Year!

Samstag, 19. Dezember 2015

Adventskalender 20.Dezember 2015


Die Zeit rast und nun geht auch meine kleine Geschichte schon zu Ende. Ich hoffe, ihr hattet genauso viel Spaß dabei, Felix für die Adventszeit zu begleiten wie ich.

Für mich hat diese kleine Adventsaktion mit meinen wunderbaren Kolleginnen Karo Stein, Caro Sodar, France Carol und Sissi Kaipurgay viel Freude bedeutet und auch oder gerade weil ich momentan so wenig zum Schreiben komme, bin ich glücklich, für Felix und Arne ein schönes Ende gefunden zu haben. Danke, dass ich dabei sein durfte.

Weil es mein letzter Beitrag zu unserem Kalender sein wird, möchte ich heute noch einmal etwas Besonderes verlosen. Wer hier auf dem Blog oder auf Facebook einen Kommentar hinterlässt, hüpft in den Lostopf und kann gewinnen:

Ein signiertes Exemplar von "Spätes Glück" und ein passender Becher suchen ein neues Zuhause. Auch wenn es sicherlich nicht mehr vor Weihachten ankommt, könnt ihr mit ein wenig Glück zumindest auf das neue Jahr schon mit Christian und Andreas anstoßen.

Mit den besten Wünschen für einen wundervollen vierten Advent und ein schönes Weihnachtsfest im Kreise eurer Lieben lasse ich jetzt auch meine beiden Jungs noch in den Sonnenuntergang reiten ...

Süßer Traum (Teil 4)



Auf dem Weg nach Hause kommen die ersten Zweifel in mein Bewusstsein. Meine Wohnung ist nicht für Besucher ausgerichtet. Ich habe noch nie Gäste dort gehabt. Es ist eine Unterkunft, die praktisch ist, aber nicht viel hermacht.
„Wir können auch zu dir...“
Arne schüttelt den Kopf. „Meine Mitbewohnerin feiert heute ihren Geburtstag. Da stören wir nur.“
„Bist du nicht eingeladen?“
„Gott bewahre! Nele ist eine Bitch vom Feinsten. Wir versuchen uns aus dem Weg zu gehen, weil es ständig knallt. Die Antipathie zwischen uns ist vom ersten Tag an gegenseitig. Es gibt wenige Menschen, mit denen ich rein gar nicht klarkomme, sie gehört definitiv dazu. Aber das ist in Ordnung. Meine anderen Mitbewohner sind voll in Ordnung, das Zimmer ist geräumig und günstig und das Zusammenleben klappt gut.“
„Okay.“ Wir stehen bereits vor dem Schaufenster der Bäckerei. Im Dunkeln sieht der Fensterschmuck wirklich schön aus. Klara und ich haben uns viel Mühe gegeben und die Lichterkette mit echten Tannenzweigen verziert. Wir mögen beide das Plastikzeug nicht.
„Sieht toll aus“, bemerkt Arne neben mir. „Mir fehl nur ein bisschen mehr Werbung schon in der Auslage zur Straße. Wer euch nicht kennt, weiß gar nicht, welche Schätze es im Laden gibt.“
Das Lob bedeutet mir viel. Bisher haben alle Kunden meine Eigenkreationen gemocht, aber Arnes Meinung ist mir besonders wichtig. Schließlich habe ich etliche Tage gedacht, ihn nur mit meinen Pralinen in den Laden lotsen zu können. Inzwischen glaube ich auch ein wenig daran, dass ich selbst vielleicht ein Grund für seine Besuche gewesen bin. Bei dem Gedanken wird mir warm und mein Herz schlägt ein wenig schneller. Lächelnd ziehe ich Arne mit mir zum Eingang neben dem Geschäft. Meine Wohnung hat zwar auch einen direkten Zugang zur Backstube, aber es gibt auch ein normales Treppenhaus. „Hier entlang. Erwarte bitte nicht zu viel. Du bist der erste Besucher, den ich empfange.“
Die Dielen knarren, als wir die Stufen zu meiner Eingangstür hinaufgehen. Arne läuft direkt hinter mir. Ich schließe auf, ziehe meine Jacke aus und hänge sie an den Haken neben der Tür. Zum ersten Mal ist es mir peinlich, dass in meinem Flur noch immer die kahle Birne an der Decke hängt. Zu den Zeiten, als mein Vater die Wohnung nur als Pausenraum genutzt hat, war das egal, doch jetzt, wo ich hier komplett wohne, sollte ich endlich anfangen, es mir wohnlicher zu gestalten.
„Kaffee?“, frage ich unsicher. Ich spüre die Wirkung des Alkohols und hoffe, dass das Koffein sie vertreibt. Außerdem kaufe ich mir so ein wenig Zeit.
„Lieber etwas anderes ...“ Arme umschlingen mich von hinten und in meinem Nacken spüre ich heißen Atem. Eine raue Zunge zieht eine feuchte Spur an meinem Hals. Gänsehaut und ein wohliges Prickeln breiten sich auf meinem Körper aus. „... dich.“ Arne dreht mich vorsichtig um und blickt mir in die Augen. Stumm gebe ich mein Einverständnis und sofort pressen sich weiche Lippen auf meinen Mund. Mit einem Mal kann es gar nicht schnell genug gehen. Arnes Hände schleichen sich unter meinen Pulli.  Zum ersten Mal seit Ewigkeiten spüre ich fremde Finger auf meiner Haut. Ein Hitzeschauer jagt durch meinen Körper und das Blut schießt gen Süden. Augenblicklich werde ich hart. Hungrig schnappe ich nach Arnes Lippen, sauge sie ein und knabbere daran. Leises Stöhnen ist die Reaktion, die zeigt, wie sehr auch Arne unser Spiel genießt. Ohne mich von ihm zu lösen, schiebe ich Arne durch den engen Flur in das Zimmer und in die Ecke, in der mein Bett steht. Ein Schrank trennt den Wohn- vom Schlafbereich. Zum Glück habe ich die Bettwäsche gerade vor ein paar Tagen gewechselt und das Bett mittags vor dem Losgehen noch gemacht. Obwohl ich wirklich nicht einen Augenblick daran gedacht habe, Arne mit zu mir nach Hause zu nehmen.
Hektisch zerre ich an Arnes Klamotten, bis er den Kuss löst und schnell selbst aus den Sachen schlüpft. Während ich mich ausziehe, bewundere ich den makellosen Körper, der sich vor meinen Augen entblättert. Kein ausgeprägtes Sixpack, aber dennoch kein Gramm Fett, das die Muskeln überdeckt, die von regelmäßigem Training zeugen. Für einen Augenblick komme ich mir richtig fett vor. Seit ich das Geschäft übernommen habe, ist auch der Sport zu kurz gekommen, was sich auch schon gehörig auf der Waage gezeigt hat. Bisher hat mich das nicht gestört, da ich selbst der einzige war, der mich ansehen musste, doch jetzt nehme ich mir vor, wieder mehr auf meinen Körper zu achten.
„Gefällt dir, was du siehst?“, fragt Arne leise. Seine Stimme kling rau und erregt. Er lächelt. „Mir auch.“
Mit leichtem Druck schubst er mich auf das Bett und lässt sich auch fallen. Eine Zunge drängt sich in meinen Mund und erkundet die unbekannte Höhle, während sein Körper sich an mir reibt. Nach der langen Enthaltsamheit bin ich kurz davor, allein von dieser Berührung zu kommen. Entschlossen sammle ich meine Kraft, rolle Arne auf den Rücken und setze mich rittlings auf ihn. Wir atmen beide schon schwer und der Moment zum Auskühlen tut gut. Meine Finger streichen sanft über die glatte Haut. Sie spüren die Muskeln, die leicht zittern, gleiten über die Seiten wieder zur Mitte und fahren den weichen Flaum entlang, der den Weg zeigt zu dem Schaft, der sich mir entgegen reckt. Arnes Augen folgen der Spur meiner Hände, bevor sein Blick mich einfängt. Wie ein Sog zieht mich der dunkle Schimmer hinunter, bis unsere Lippen sich wieder treffen. Ein Kuss, der süchtig macht nach mehr. Mein Körper sehnt sich nach jeder Berührung, die er so lange entbehrt hat. Arnes Hand umschließt meine Erregung und bringt mich mit wenigen Strichen zur Explosion. Es gelingt mir nicht, den Moment noch herauszuzögern. In einer Fontäne spritzt ein warmer Strahl zwischen uns. Ich fliege hoch und segle ganz langsam wieder auf den Boden zurück. Wir liegen Seite an Seite und Arne hält mich fest im Arm. Er küsst mich sanft auf die Schläfe und wartet geduldig, bis ich wieder gelandet bin. Ganz deutlich spüre ich plötzlich Arnes Härte an meiner Seite und bekomme ein schlechtes Gewissen. Doch Arnes Lächeln und der zärtliche Kuss geben mir zu verstehen, dass er mir nicht böse ist. Mit einem Mal überfällt mich die Müdigkeit, die mich mit einem Schlag ausknockt. Meine Augen bleiben geschlossen. Meine Zunge ist bleischwer und kein Wort kommt über meine Lippen. Ich lasse die Streicheleinheiten über mich ergehen und merke nur am Rande, wie ich langsam in eine Traumwelt abgleite.
Ein penetrantes Läuten dringt in mein Bewusstsein, das ich mit wachsender Klarheit als meinen Wecker identifiziere. Alles ist wie immer und doch ist alles anders. Denn noch immer liege ich in einer festen Umarmung. Es fühlt sich verdammt gut an, auch wenn das schlechte Gewissen Überhand gewinnt, als ich mich an meinen abrupten Abgang erinnere.
„Willst du das schreckliche Ding nicht endlich mal ausmachen?“, fragt eine verschlafene Stimme hinter mir. „Das ist Folter. Wie spät ist es eigentlich?“
„2.30 Uhr“, erkläre ich leise. Ich schlängle mich aus der Umarmung und presse zum Abschied einen leichten Kuss auf Arnes Lippen. Viel lieber würde ich liegenbleiben, denn der Kerl in meinem Bett sieht einfach zum Anbeißen aus und ich habe auch noch etwas gut zu machen. „Du kannst weiterschlafen. Ich muss nach unten zur Arbeit, komme aber so bald wieder, wie ich kann. Versprochen.“
„Hmm.“
Ich kann gut verstehen, dass Arne um diese Uhrzeit nicht besonders gesprächig ist. Das bin ich im Allgemeinen auch nicht. Normalerweise interessiert das nur niemanden, da ich immer allein bin, bis meine Schwester eintrifft. Im Dunkeln suche ich meine Sachen zusammen und schleiche hinüber in die Küche. Um nicht unnötig viel Krach zu machen, trinke ich nur einen Schluck Wasser, husche ins Bad und klettere leise die Treppe nach unten in die Backstube.
Mit dem ersten Kaffee in der Hand mache ich mich an die Vorbereitungen. Trotz des wenigen Schlafes fühle ich mich ausgeruht und einfach fantastisch. Ganz kann ich Geräusche nicht vermeiden, aber ich verzichte auf laute Musik. In meinem Kopf klingen die Lieder laut genug und ich bin motiviert wie selten.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“
Ich zucke zusammen und wende mich der Stimme zu. Arne steht am Fuß der Treppe. Er hat sich nur seine Shorts und ein Shirt von mir übergezogen. Mit strubbligen Haaren und einem verschlafenen Grinsen auf dem Gesicht sieht er einfach nur sexy aus und es fällt mir schwer, mich weiter auf den Teig vor mir zu konzentrieren.
„Warum bist du nicht im Bett geblieben?“
„Es war so einsam ohne dich.“ Er kommt auf mich zu und gibt mir einen Kuss auf die Lippen, bevor sein Blick an meinem Kaffeebecher hängenbleibt. „Hast du für mich auch einen Wachmacher?“
„Bedien dich. Ich bin gerade verhindert.“ Lächelnd hebe ich meine bemehlten Hände hoch und zeige auf den Kaffeeautomaten. „Erklärt sich selbst.“
Während Arne auf seinen Kaffee wartet, vollende ich die erste Ladung und schiebe die Bleche in den Ofen. Ein paar Minuten bleiben mir nun zum Verschnaufen, bis die nächste Fuhre fällig ist. Normalerweise nutze ich die Momente, um selbst noch einen Kaffee zu trinken oder schon mit der Vorbereitung des Ladens zu beginnen. Jetzt stehe ich einfach nur da und beobachte meinen nächtlichen Bettgenossen beim Aufwachen. Was sind wir nun eigentlich? Es war ein toller Nachmittag, der im Bett geendet ist und zumindest für mich ein sehr befriedigendes Erlebnis gebracht hat. Doch was macht das aus uns? Ich habe verdammt wenig Erfahrungen mit solchen Dingen. Meine einzige Beziehung ist mächtig in die Hose gegangen, obwohl es im Grunde genau das ist, was ich haben möchte. Einen Partner, mit dem ich mein Leben teilen kann und nicht nur ein paar Momente im Bett. Sex im Bett hatte ich auch schon lange nicht mehr, geschweige denn in meinem eigenen Bett.
„Wenn du mir sagst, was ich machen kann, helfe ich dir wirklich gern“, meint Arne schon wesentlich wacher. „Ich bin zwar manchmal ein kleiner Tölpel, aber für einfache Arbeiten zu gebrauchen und lernfähig.“
Gemeinsam gehen wir hinüber in den Laden. Ich zeige Arne, was zu tun ist und er legt los, während ich zurück in die Backstube gehe. Als ich wenig später zurückkomme, sind die Auslagen gewischt und die Pralinen bereits wieder in der Vitrine. Nur die Schachtel mit den Kreationen für heute steht noch verpackt auf dem Tresen.
„Die müssen hier oben hin, nicht wahr?“, fragt Arne und zeigt auf die Box. „Darf ich schon eine kosten? Ich bezahle sie dir nachher auch.“
So weit kommt es noch, dass Arne mir hilft und dann auch noch eine Praline bezahlt. Ich nicke. „Nimm sie dir und sage mir, was du davon hältst. Ist eine neue Kombination, die mir eigentlich ganz gut gefällt.“
Genüsslich lässt Arne das Schokoladenstück in seinen Mund gleiten. Ich beobachte ihn genau und merke augenblicklich, wie meine Erregung wächst. Kann das Essen einer Praline ein erotisches Spiel sein? Anscheinend schon und das Kino in meinem Kopf läuft auf Hochtouren. Die Zunge, mit der Arne sich genießerisch über die Lippen leckt, ist braun von der Schokolade. Er führt einen Finger zum Mund, verreibt die braune Masse und steckt ihn hinein. Ich kann meinen Blick nicht von ihm wenden. Ein Stöhnen kommt aus der Tiefe meiner Kehle und mir ist alles egal. Mit dem letzten Funken Verstand zerre ich Arne hinter mir her, aus dem Laden, durch die Backstube und in die kleine Büroecke, in der wir vor den Blicken von außen verborgen sind. Bevor Arne einen Ton sagen kann, ziehe ich ihn an mich und küsse ihn leidenschaftlich. Nur durch dünnen Stoff getrennt, reiben unsere Härten aneinander. Dieses Mal soll Arne derjenige sein, der verwöhnt wird. Mit einer Bewegung ziehe ich seine Shorts hinunter, gehe in die Knie und nehme seine Erregung in mich auf. Mit der Zunge fahre ich den Schaft entlang und entlocke Arne ein tiefes Seufzen, das mich ermuntert weiterzumachen. Meine Sinne sind vollends auf den männlichen Geruch ausgerichtet und ich genieße den Geschmack und die Reaktionen, die ich bekomme. Es dauert nicht lange, bis Arne sich aufbäumt und sich in meine Mundhöhle ergießt. Ich schlucke, lecke ihn mit einem breiten Lächeln sauber und erhebe mich. Arne lehnt schwer atmend an der Wand. Seine Knie zittern und nun bin ich es, der ihn in den Arm nimmt und festhält.
„Was zum Teufel ...“ Klaras schrilles Kreischen holt mich augenblicklich aus dem All zurück in die Realität. Jetzt merke ich es auch. Verdammt, diese Lage an Brötchen kann ich vergessen. Es riecht verbrannt. „Was zum Teufel machst du hier, Felix?“ Wütend schießt Klara schießt um die Ecke. Sie erkennt die Situation und wird sofor knallrot  im Gesicht. Wenn die Lage nicht so eindeutig wäre, würde ich sicher versuchen mich aus dem Schlamassel zu reden. Doch hier gibt es nichts zu beschönigen. Meine Schwester hat uns in flagranti erwischt. „Sorry, ich wollte nicht ... bin schon weg ...“, stammelt sie und dreht sich um.
Erst jetzt zieht Arne seine Hose wieder hoch. Ich gehe zum Waschbecken und wasche meine Hände gründlich, bevor ich mich dem Debakel in der Backstube zuwende. Nachdem ich die verkokelten Brötchen entsorgt und die nächste Lage im Ofen habe, gehe ich auf die Suche nach meiner Schwester. Geschäftig wischt sie die sauberen Regale im Laden erneut ab und dekoriert ein wenig um. Die Farbe ist noch immer nicht aus ihrem Gesicht gewichen.
„Tut mir leid, ich war wohl abgelenkt“, bemerke ich trocken, ohne weiter auf ihr Verhalten einzugehen. „Was machst du überhaupt schon hier?“
Es ist noch vor fünf Uhr, meist kommt sie frühestens eine Stunde später.
„Ich dachte, du brauchst vieleicht Hilfe“, kommt die Antwort patzig. „Aber da habe ich mich wohl getäuscht. Es sei denn, jemand muss aufpassen, dass du nicht alles in Brand setzt.“
„Ach, Schwesterherz...“ Ich schlinge meine Arme um ihre Hüfte und drehe sie zu mir, bis sie meinem Blick nicht mehr ausweichen kann. „Tu nicht so prüde mit einem Mal. Du bist es doch gewesen, der mich unbedingt verkuppeln wollte.“
„Aber nicht hier ... während der Arbeit. Konntet ihr nicht ...?“
„Bin mittendrin eingeschlafen“, gebe ich zu. „Und nachdem Arne mir hier so schön geholfen hat, wollte ich mich endlich revanchieren. Das konnte nicht noch warten. Hab dich nicht so, es ist schließlich nichts Schlimmer passiert. Ab und an verbrennen eben mal ein paar Brötchen, das ist kein Weltuntergang.“
Langsam fängt Klara sich wieder. Ihre Gesichtsfarbe wird normal und sie grinst. Ich weiß, dass ich diesen schwachen Moment noch ein paar Mal vorgehalten bekommen werde, auch wenn sie jetzt stumm bleibt. Aber das war es allemal wert.
„Ich gehe dann mal nach oben und ziehe mich an“, sagt Arne von hinten. „Darf ich deine Dusche benutzen?“
„Klar“, sage ich bestimmt. Bevor er verschwinden kann, fange ich seinen Arm ein und ziehe ihn noch einmal an mich heran, um ihn zu küssen. Demonstrativ, lang, zärtlich und doch voller Leidenschaft. „Am besten wir machen das zusammen. Da meine Schwester schon da ist, kann sie den Rest auch überwachen. Du weißt ja, wo du uns im Notfall findest, Klärchen.“ Ich grinse diabolisch, da ich weiß, wie sehr meine Schwester den Kosenamen hasst. „Im Notfall allerdings nur. Du weißt schon.“
Ohne Klaras Reaktion abzuwarten, ziehe ich Arne hinter mir her nach oben. Ich weiß, dass sie uns nicht stören wird, auch wenn es ein seltsames Gefühl ist, in einer offenen Wohnung mit meinem Lover zu turteln, während meine Schwester daneben arbeitet und genau weiß, was wir tun. Oder auch nicht ...
Immerhin lässt die Tür zu meinem Badezimmer sich abschließen und auch wenn die Dusche zu zweit ziemlich eng ist, schaffen wir es, gemeinsam unter den warmen Strahl zu gehen. Seit Minuten hat Arne keinen Ton gesagt. Nun schauen wir uns gegenseitig ins Gesicht und fangen an zu grinsen. Aus dem Grinsen wird ein lautes Lachen. Die Situation war auch wirklich grotesk. Und lustig.
„Keine Angst. Meine Schwester ist hart im Nehmen. Sie erholt sich schon von dem Schock.“ Nachdenklich betrachte ich mein Gegenüber, während ich ihn einseife. „Oder bereust du es schon?“
„Nie im Leben.“ Arnes Kopfschütteln ist so vehement, dass die Wassertropfen in mein Gesicht schlagen. „Dazu war es viel zu schön.“
Das fand ich auch, obwohl mir gerade mal wieder die Worte fehlen. Die Frage, was ich hier tue, was wir hier eigentlich tun, stellt sich mir erneut. Stumm seifen wir uns gegenseitig ein und spülen den Schaum ab. Ich werfe Arne ein Handtuch zu, damit er sich abtrocken kann.
„Ich ...“
„Ich ...“
Wir lachen beide. Ein Déja-vu zu unserer ersten Unterhaltung.
„Du zuerst.“ Ich lasse ihm den Vortritt, während ich mir frische Sachen aus dem Schrank hole und mich anziehe.
„Ich werde dann mal gehen und dich in Ruhe lassen“, sagt Arne. Überzeugt von seinem Vorschlag scheint er nicht zu sein.
„Kommt nicht in Frage“, entgegne ich bestimmt. „Ein Frühstück ist das Mindeste, was ich dir bieten kann.“ Ich mache eine kurze Pause und beobachte ihn. „Außerdem sollten wir miteinander reden. Über das, was heute Nacht war, und über das, was das für uns beide bedeutet.“ Ich küsse ihn sanft auf den Mund, um ihm zu zeigen, was es für mich bedeutet, dass er hier bei mir ist. Ich hoffe zumindest, dass er es versteht, auch wenn ich es nicht in Worte kleiden kann. „Deckst du den Tisch?“ Ich lache. „Für zwei Personen habe ich immerhin Geschirr in meinem Schrank. Bin gleich wieder da.“
Während Arne in die Küche geht, husche ich schnell nach unten in den Laden. Ich greife ein paar Schrippen, Vollkornbrötchen und ein bisschen Aufschnitt und Käse. Klara verfolgt mein Tun mit Blicken, sie sagt nichts und nickt nur. Ihr wissendes Grinsen allerdings zeigt mir, dass sie sich für mich freut. „Danke“, formen meine Lippen lautlos, bevor ich ihr einen Luftkuss zuwerfe und wieder nach oben sprinte.
Kaffeeduft und ein gedeckter Tisch erwartet mich in meiner kleinen Küche. Arne steht am Herd und brät ein paar Rühreier. Das karierte Küchenhandtuch, das er als Schürze vorgebunden hat, sieht eigentlich lächerlich aus ... und doch verdammt sexy. Gibt es etwas, was ich nicht sexy an diesem Kerl finde? Egal wie man das nennen soll, was wir haben. Ich will es. Auf jeden Fall. Hoffentlich geht es ihm nicht anders, sonst wird mein Herz erneut gebrochen. Soweit ist es schon, dass er mir mein Herz brechen kann. Das heißt wohl, dass er sich schon ziemlich tief in meine Eingeweide gebrannt hat.
„Ich hoffe, es war in Ordnung, dass ich mich bedient habe“, meint Arne fröhlich. „Ich dachte, wir haben beide ein paar Eier zum Auffüllen unserer Reserven nötig.“
Arne hat recht. Sobald er wach ist, plappert er tatsächlich viel. Etliches ist unsinnig, aber charmant. Während des Frühstücks unterhalten wir uns über unsere Vorlieben beim Essen und Trinken. Wie bei den Hobbys gibt es viele Übereinstimmungen. Wir lachen viel und mein Gefühl sagt mir eigentlich, dass meine Zweifel unbegründet sind. Dennoch muss ich Klarheit haben. Nach dem unrühmlichen Ende meiner Beziehung zu Dominik habe ich mir geschworen, immer mit offenen Karten zu spielen, auch wenn es einmal wehtun könnte.
„Ich fand die Zeit mit dir sehr schön“, beginne ich in einer kurzen Redepause meines Gegenübers. „Deshalb möchte ich wissen, wie es dir geht und ob du ... ob du auch daran interessiert wärst, unser Treffen zu wiederholen.“
Arnes Kichern irritiert mich. „Seit wann redest du so geschwollen, Felix. Ja, verdammt, ich fand es auch toll mit dir und ich möchte es wiederholen.“
„Aber ich ...“ All die Dinge, die gegen eine Beziehung mit mir sprechen, müssen auf den Tisch. Doch Arne lässt mich nicht zu Wort kommen. Er springt auf und setzt sich rittlings auf meinen Schoß. Seine Arme legen sich um meinen Hals und er küsst mich zärtlich.
„Es ist mir egal, wie viele Bedenken du jetzt äußerst. Ich will, dass wir es zumindest versuchen.“ Mit einem letzten Kuss springt Arne wieder von mir herunter und setzt sich wieder. Bevor er weiterredet nimmt er meine Hand und verschränkt unsere Finger auf dem Tisch. „Nur der Versuch macht klug. Schon beim ersten Treffen habe ich mich in dich verguckt und mit jedem Mal wurde die Sehnsucht nach dir größer. Der Abend hat meine Vorstellung um ein Vielfaches übertroffen und ich bin sicher, dass ich mit dir zusammen sein will. Wenn du es auch willst, dann lass es uns tun. Probleme sind dafür da, um gelöst zu werden, und gemeinsam trägt sich alles einfacher.“
Es sind die Worte und die Gesten, die die letzten Zweifel in mir zerstören. Ich fühle mich befreit und glücklich. Übermütig stehle ich mir einen Kuss und nicke. „Ich will es.“
Ich will es versuchen und ich bin mir ziemlich sicher, dass es dieses Mal für die Ewigkeit ist. Während wir uns küssend in die Schlafecke verziehen, blitzt ganz kurz Klaras Grinsen vor meinem inneren Auge auf. Natürlich wird sie mich wegen meines Umschwungs aufziehen, aber das ist mir das Glück mit einem Partner an meiner Seite allemal wert.

Ende

Morgen geht es weiter bei Caro Sodar 


Dienstag, 15. Dezember 2015

Adventskalender 16.Dezember 2015



Es ist wahnsinnig, wie schnell die Zeit vergeht. Das fällt mir besonders in der Adventszeit immer wieder auf. Wahrscheinlich auch, weil dies im realen Leben immer eine besonders arbeitsintensive Zeit ist, die wenige Momente zum Luftholen bietet.
Heute sind nun schon 2/3 des Adventskalenders vorbei und die unterschiedlichen Geschichten laufen auf der Zielgeraden ein. Ich hoffe, ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen, wie wir beim Schreiben.


Der signierte Print aus der Verlosung meines ersten Tages ist inzwischen auf dem Weg. Es ist also an der Zeit, einmal wieder eine kleine Verlosung zu machen. Wer Interesse an ein paar Magneten mit den wunderbaren Cover von Caro Sodar zu bekommen, der hinterlässt einfach hier im Blog oder auf FB einen Kommentar. Die Auslosung erfolgt dann morgen unter Ausschluss von Rechtsmitteln.



Nun aber zu Felix und Arne. Wer wissen will, wie es ihnen auf dem Weihnachtsmarkt ergangen ist, der kann es nun lesen.

Süßer Traum (Teil 3)

Ungeduldig laufe ich in meinem Zimmer herum. Obwohl der Sekundenzeiger der Uhr unablässig und gleichmäßig läuft, scheint die Zeit stillzustehen. Aus Angst, nicht rechtzeitig ferig zu werden, habe ich mich beeilt. Nachdem ich fast jedes Teil aus meinem Kleiderschrank herausgezerrt habe, ist meine Entscheidung schließlich auf einen hellblauen Pulli und eine einfache Jeans gefallen. Allzu viel Auswahl habe ich nicht und ich weiß wirklich nicht, was sich für ein erstes Date schickt. Der Versuch mir einzureden, dass es kein „Date“ ist, misslingt ziemlich kläglich. Meine Aufregung ist ebenso groß wie beim ersten Date, beim allerersten ... und das ist über zehn Jahre her. Ich bin echt erbärmlich.
Der Typ, der mir aus dem Spiegel entgegenblickt, sieht eigentlich ganz okay aus. Ein bisschen müde vielleicht, schließlich hat er schon einen kompletten Arbeitstag hinter sich. Rede ich jetzt tatsächlich schon in der dritten Person von mir? Echt krank. Meine Hände sind schweißnass. Ich wische sie an der Hose ab und strecke mich. „Felix Dornbichler, jetzt reiß dich endlich am Riemen.“
Die Ansprache wirkt und selbst das Lächeln, das ich aufsetze, sieht echt aus. Ich bin zufrieden ... halbwegs. Endlich ist es kurz vor 16 Uhr und ich beschließe, im Laden auf Arne zu warten. Wenn ich noch lange hier oben im Kreis herumlaufe, werde ich eine Laufrille in meinen Dielen haben.
Meine Mutter macht sich gerade bereit zum Gehen und Klara bedient eine Kundin, als ich nach unten komme. Während Mama nur lächelt, als sie mich sieht, pfeift Klara anerkennend.
„Du siehst gut aus, Felix“, sagt meine Mutter.
„Gut, Mama?“, fällt Klara quietschend ein. Sie fällt mir um den Hals, schiebt mich wieder eine Armlänge von sich weg und mustert mich erneut. „Felix sieht phantastisch aus. Wann hast du das letzte Mal eine Verabredung mit einem schnuckligen Kerl gehabt, Brüderchen? Ich wette einen Hunderter, dass du Stunden dafür gebraucht hast, dich für dieses Outfit zu entscheiden. Du bist schlimmer als jedes Mädchen, großer Bruder. Warst du schon immer. Aber ich kann dich beruhigen, du hast die perfekte Wahl getroffen. Deinem Schnuckel wird es auch gefallen. Da bin ich mir sicher.“
„Soll ich etwa dieser Schnuckel sein?“
Herrgott, bitte lass die Erde unter mir aufgehen und mich verschwinden! Kann es eine noch größere Peinlichkeit geben? Arnes Stimme klingt belustigt, doch mir ist es unangenehm. Meiner Schwester allerdings weniger. Sie geht sofort auf ihn zu und zieht ihn in eine Umarmung, als ob sich die beiden schon seit Ewigkeiten kennen. „Hallo, ich bin Klara, Felix‘ Schwester. Freut mich, dass ihr es endlich einmal geschafft habt, euch zu verabreden. Mein Brüderchen wollte mir nicht glauben, dass du scharf auf ihn bist. Dabei hast du ihn schon am ersten Tag beinahe mit Blicken ausgezogen ...“
„Klara ...“ Ich versuche, meine Schwester von weiteren Aussagen abzuhalten, die nur noch peinlicher werden können. Ich kenne sie. Wenn sie erst einmal in Fahrt kommt, ist sie schwer zu bremsen.
„Mein Bruder ist etwas eingerostet, was Verabredungen angeht“, berichtet Klara ohne sich stören zu lassen. „Seit der Trennung von seinem Ex und der Krankheit unseres Vaters hat er nur für die Bäckerei gelebt. Dabei ...“
„Klara, es reicht!“ Energisch trete ich zwischen die beiden und greife nach Arnes Hand, um ihn hinter mir her aus dem Laden zu ziehen, bevor meine Schwester noch weiteres Unheil anrichten kann. Da das mit dem Versinken im Erdboden wohl nicht klappt, muss ich mich der Konfrontation stellen.
An der nächsten Straßenecke lasse ich Arnes Hand los, doch er greift sofort wieder nach mir und verschränkt unsere Finger miteinander. „Ich finde es schön so“, sagt er leise.
Ich nicke stumm. Mir bleibt gerade die Stimme weg, aber das finde ich auch. Es fühlt sich gut an, vielleicht zu gut. Obwohl die Trennung von Dominik schon so lange her ist, sitzt der Stachel der Verletzung noch immer tief in mir. Ich habe meinem Freund vertraut und bin bitter enttäuscht worden. Nach dieser Erfahrung fällt es mir schwer, wieder uneingeschränktes Vertrauen aufzubauen.
„... Weihnachten wie ich?“ Arne drückt meine Hand und zieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Er blickt mich an und grinst. „Hast du mir überhaupt zugehört?“
„Sorry, ich ...“
Mein Kopf ist bestimmt rot wie eine reife Tomate, aber Arne legt mir einen Finger auf die Lippen und lächelt mich an. „Du warst in Gedanken woanders, ich weiß. Es war auch nicht so wichtig, ich rede immer ein bisschen viel.“ Er lacht laut und ich genieße das Prickeln, das seine Stimme und der Kontakt unserer Hände in mir auslöst. „Ich habe dich nur gerade gefragt, ob du Weihnachten auch so sehr magst wie ich. Ich bin ein Weihnachts-Junkie.“
Eine Frage, die leicht zu beantworten ist. Ich nicke vehement. „Ich auch. Leider kann ich in diesem Jahr die Adventszeit nicht so genießen, weil ich zu viel arbeiten muss. Deshalb auch mein Vorschlag mit dem Weihnachtsmarkt. In diesem Jahr war ich erst ein einziges Mal dort.“ Ich mache eine kleine Pause, bevor ich leise fortfahre. „Außerdem macht das allein nicht so viel Spaß und meine Freunde sind fast alle Weihnachtsmuffel.“
„Nun musst du ja nicht mehr allein dorthin.“
Der Weg zum Marktplatz, auf dem der größte Weihnachtsmarkt unserer Stadt stattfindet, ist nicht weit. Ich lausche Arnes Stimme, der wirklich ununterbrochen vor sich hinplappert. Auf diese Weise erfahre ich viele Dinge, die mich interessieren, ohne dass ich überhaupt fragen muss. Die meisten Fenster an der Straße sind bereits weihnachtlich geschmückt. Sterne blinken und in vielen Scheiben spiegelt sich flackerndes Kerzenlicht. Duft von Glühwein und gebrannten Mandeln zieht in meine Nase. Die ersten Stände sind nur noch wenige Meter entfernt. Sie sind gut besucht, obwohl es noch früher Nachmittag ist. Wie sehr das normale Leben in den letzten Monaten an mir vorbeigegangen ist, merke ich auch an meiner Überraschung.
„Glühwein zum Einstieg?“, fragt Arne.
Obwohl ich weiß, dass es unvernünftig ist, Alkohol auf fast leeren Magen zu trinken, nicke ich. Vor lauter Aufregung habe ich zu Mittag nur ein Plunderstück gegessen. „Perfekt, doch dann brauche ich erst einmal feste Nahrung.“ Wie zur Bestätigung knurrt mein Magen laut.
Arne lacht. „Man hört’s. Aber das passt gut. Ich bin mittags auch nicht zum Essen gekommen, weil ich pünktlich gehen wollte. Schließlich wollte ich zu unserem Treffen nicht zu spät kommen. Noch kann ich nicht einschätzen, wie du auf meine schlechten Eigenschaften reagierst.“ Er kichert und zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Muss mich doch von der besten Seite zeigen.“
Während Arne mich loslässt und zum Glühweinstand geht, schaue ich ihm nach. Seine forsche Art gefällt mir. Ich fühle mich so gut, wie schon lange nicht mehr. Klara hat recht, ich habe mich schon viel zu lange hinter meiner Arbeit versteckt. So fühlt sich Leben an, nur mit Händchenhalten ... Wann hat sich Dominik eigentlich einmal so ungezwungen in der Öffentlichkeit mit mir gezeigt? Wir haben nicht im Geheimen gelebt, aber Zuneigungsbekundungen an Orten, wo uns Fremde sehen konnten, habe ich wirklich selten bekommen. Je öfter ich über die Beziehung nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, wie viel davon nur meiner rosaroten Brille geschuldet war. Der offensichtliche Betrug war nur der i-Punkt auf einer langen Kette von Dingen, die eigentlich nicht zu meiner Idealvorstellung von Liebe gehören. Ich wollte es nur nicht wahrhaben und Dominik hat sich verstellt und angepasst.
„Auf einen schönen Nachmittag!“Arne reicht mir einen verzierten Becher, aus dem es verführerisch duftet. „Ich habe auf einen zusätzlichen Schuss verzichtet, damit wir nicht gleich betrunken sind.“
Wir suchen uns einen Platz am Stehtisch und stoßen an. Das Zeug riecht nicht nur gut, es schmeckt auch lecker. Ich trinke nicht häufig Alkohol und merke die Wirkung beinahe sofort. Mein Blut rauscht warm durch meinen Körper und der letzte Rest Anspannung verschwindet augenblicklich. Vielleicht tut mir das auch ganz gut, dann übernimmt mal nicht mein Kopf allein die Führung. Nach all den Informationen, die ich in kurzer Zeit von Arne bekommen habe, bin nun ich an der Reihe, ein wenig von mir zu erzählen. Aufmerksam hört Arne zu und fragt gezielt nach. Wir entdecken immer mehr gemeinsame Interessen. Im Nu sind wir mitten in einer angeregten Diskussion über verschiedene Sportarten und speziell Fußball. Als Kinder haben wir beide im Verein gespielt, sind dann aber später zu anderen Sportarten gewechselt. Die Liebe zu dem Sport ist geblieben und wir verfolgen die Spiele der Bundesliga regelmäßig. Allerdings sind wir Anhänger unterschiedlicher Vereine und werden bestimmt hitzige Gefechte neben dem Platz haben. Tatsächlich denke ich in diesem Moment schon an später ... und es fühlt sich gut und richtig an. Wir streiten und lachen viel. Mit Arne macht beides Spaß. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Es wird immer voller und wir haben Mühe, unseren Platz zu verteidigen. Nach dem Essen gönnen wir uns noch einen zweiten Becher Glühwein und teilen uns eine große Tüte gebrannter Mandeln.
„Wollen wir noch die anderen Stände anschauen?“, fragt Arne plötzlich. „Du musst doch bestimmt bald nach Hause. Wann gehst du normalerweise ins Bett?“
Er hat recht, aber an eines will ich im Moment ganz sicher nicht denken . ans Nachhausegehen. Die Aussicht auf einen Abend allein in meiner Wohnung gefällt mir nicht und heute will ich endlich einmal wieder völlig unvernünftig sein und nicht nur an die Pflicht denken. Ich bin jung genug, auch mal eine Schicht mit wenig Schlaf durchzustehen. Heute will ich feiern und nicht an den Morgen denken.
„Zu früh“, antworte ich einsilbig. Übermütig greife ich nach Arnes Hand und ziehe ihn hinter mir her. „Ist mir gerade egal. Lass uns hier umschauen und sehen, wohin es uns heute Abend noch treibt. Was meinst du?“
Durch die dichtgedrängte Menschenmasse schlängeln wir uns zwischen den enggestellten Holzhütten hindurch. Neben den Fressbuden beherrschen Stände mit Kunstgewerbeartikeln und Kerzen den Markt. Mir gefallen die kleinen Figuren aus Holz, die man an an den Weihnachtsbaum hängen kann. Ich kann selten an diesen Ständen vorbeigehen, ohne ein Stück für meine Sammlung zu kaufen, auch wenn ich selbst für mich allein keinen eigenen Baum schmücke. Die Leidenschaft habe ich geerbt von meiner Mutter und so suche ich auch für sie ein Figürchen aus. Arne steht hinter mir und schaut über meine Schulter. Seine Hände liegen auf meiner Taille, mir ist seine Nähe sehr bewusst. Als ich meinen Kauf in der Jacke verstaue, weiß ich plötzlich genau, was ich will und kann es kaum noch abwarten. „Kommst du mit zu mir?“, frage ich außer Atem, nachdem ich Arne ein wenig aus dem Getümmel gezogen habe. Mein Herz schlägt laut und ich warte angespannt auf die Antwort. Arnes Nicken lässt den Stein aus meiner Brust plumpsen. Wir schauen uns tief in die Augen und die Welt um uns herum bleibt für einen Augenblick außen vor. Die Geräusche verschwinden und auch die vielen Menschen, die um uns herum sind, nehme ich nicht mehr wahr. Ich sehe nur noch den Mann vor mir, lausche dem Gleichklang unserer Herzen und spüre wenig später weiche Lippen auf meinem Mund. „Sehr gern“, flüstert Arne leise, bevor er mich erneut küsst.

TBC

Morgen geht es weiter bei France Carol

Freitag, 11. Dezember 2015

Adventskalender 12.Dezember 2015


Seid ihr schon gespannt, ob Felix vergeblich wartet? Dann wollen wir euch und den armen Kerl mal erlösen ...

Süßer Traum (Teil 2)

Gähnend lasse ich den Blick auf die große Uhr wandern, die über dem Durchgang zwischen Laden und Backstube hängt. Wie oft habe ich da eigentlich schon hingeschaut? Inzwischen ist es bereits weit nach neun Uhr und mein bevorzugter Kunde ist noch immer nicht erschienen. Ausgerechnet heute, wo ich selbst den Laden noch für zwei Stunden betreuen muss, weil Klara früher in die Versicherung muss und meine Mutter sich verspätet, weil die Pflegekraft für meinen Vater abgesagt hat und sie erst einen Ersatz beschaffen muss. Ich bin todmüde und kann eine Aufmunterung gut gebrauchen.

„Du bist noch da, das ist schön. Ich bin so spät dran heute.“ In Gedanken bin ich gerade ganz weit weggewesen. Beim Klang der dunklen Stimme, auf die ich schon so lange gewartet habe, zucke ich zusammen. Mein Blick geht zu dem Mann, der außer Atem und mit leicht gerötetem Gesicht vor mir steht. Nur der Verkaufstresen trennt uns voneinander und wieder steigt mir der Duft des Aftershaves in die Nase, der mir schon in den vergangenen Tagen aufgefallen ist. „Ich hoffe, es gibt noch das heutige Special.“

Es fällt mir schwer meine Augen abzuwenden und ich brauche einen Moment, bis ich meine Stimme wiederfinde. „Klar doch, alles noch da.“ Er braucht ja nicht zu wissen, dass ich mit Bedacht extra für ihn jeden Tag eine Spezialität zurückhalte. Bisher haben wir zwar immer ein paar Exemplare übrig behalten, aber man kann ja nie wissen. „Wenn Sie jeden Tag kommen, ist das Komplettangebot noch immer günstiger.“ Obwohl mein Herz kräftig pocht, verfalle ich in einen geschäftsmäßigen und professionellen Ton.

„Das Zeug ist so lecker und viel zu billig für die Güte. Das passt schon.“ Während ich eine der bunten Pappschachteln, die wir für diesen Zweck angeschafft haben, unter dem Verkaufstisch hervorhole, mustert der Kunde die verschiedenen Pralinen, die im Angebot ausliegen. „Hast du die alle selbstgemacht? Du bist ein echtes Genie. Ich brauche unbedingt von jedem Teil eines zum Probieren. Bisher war alles, was ich gekostet habe, der Hammer. Deinetwegen werde ich noch zum Koloss …“

„Du doch nicht. Du bist perfekt!“ Erschreckt beiße ich mir auf die Zunge und versuche, die aufsteigende Röte in meinem Gesicht zu unterdrücken. Was erzähle ich hier für einen Unsinn? Das ist ein Kunde und ich … ich lasse mich auf ein viel zu vertrauliches Gespräch ein.

Geschäftig tauche ich unter den Tresen und krame in den faltbaren Schachteln in verschiedenen Größen, die wir für die Pralinen gekauft haben. Sie sind teuer, aber gehören für mich einfach dazu. Wenn man etwas Besonderes präsentieren will, gehört auch die Verpackung dazu. Ohne auf mein klopfendes Herz zu achten, suche ich nach der passenden Box und falte sie zusammen. Meine Finger zittern und ich brauche einen zweiten Versuch, bis die Schachtel fertig ist. Ich will etwas sagen, aber ich traue meiner Stimme nicht. Stumm  greife ich nach der Zange und suche die schönsten Stücke aus. Eins nach dem anderen schichte ich in die Box, legte eine Lage Folie dazwischen und nehme das nächste. Die Luft knistert und die Spannung zwischen uns ist unerträglich. Bilde ich mir das nur ein?

„Es tut …“

„Es tut …“

Zeitgleich beginnen wir zu sprechen und das Eis ist gebrochen. Wir lachen beide.

„Du …“

„Du zuerst“, unterbreche ich ihn bestimmt. Mein Lächeln ist unsicher, aber ich halte dem Blick meines Gegenübers stand. Während ich darauf warte, dass der Unbekannte redet, schließe ich die Schachtel mit den Pralinen und stelle sie auf den Tresen.

„Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Arne …“

Ich greife die Hand, die sich mir entgegenstreckt. Eine Gänsehaut breitet sich auf meiner Haut aus. „Felix …“

Arne hält meine Finger einen Wimpernschlag länger fest als unbedingt nötig. Er lächelt und nickt, während ich unter seinem Blick dahinschmelze. Ich bin wirklich erbärmlich. „Ich weiß. Ich habe mich ein wenig über dich erkundigt.“

Die Türglocke schrillt und Frau Müller von nebenan kommt herein. Sie hat ihre beiden Kinder an der Hand und keift sie die ganze Zeit an. Arne nickt nur freundlich und tritt einen Schritt zur Seite, um Platz zu machen für die Familie. Er bleibt im Hintergrund, während ich mich um Professionalität bemühe. Es fällt mir schwer, mich auf die Kundin zu konzentrieren. Deutlich spüre ich Arnes Blicke auf mir, meine Haut prickelt und mein Pulsschlag ist erhöht. Die Müdigkeit, die ich noch vor ein paar Minuten gespürt habe, ist vollkommen verschwunden.

„2,10 €“, sage ich mit einem freundlichem Lächeln zu der Stammkundin, die die Tüte mit den Brötchen entgegennimmt und mir das Geld reicht. Ich hole zwei Kekse für die beiden Kleinen hervor und nehme das Wechselgeld aus der Kasse.

„Sagt danke zu Herrn Dornbichler“, verlangt die Mutter.

„Danke“, rufen die Zwillinge unisono und stopften die Kekse in ihre Münder. Sie haben es nicht leicht mit ihrer Mutter, die immer gestresst und hektisch wirkt und häufig mit ihnen herummeckert, obwohl die beiden auf mich einen recht braven Eindruck machen.

Arne hält die Tür auf und wartet, bis wir wieder allein im Raum sind. Doch gerade als er ansetzen will zu sprechen, kommen erneut Leute in den Laden. Zum ersten Mal verfluche ich, dass kurz nacheinander Kundschaft kommt, doch trotz meiner Ungeduld bleibe ich freundlich und erfülle die Wünsche. Allerdings atme ich erleichtert aus, als die Tür sich wieder schließt und Arne und ich endlich allein sind. „Sorry“, meine ich achselzuckend. „Es ist selten so viel los bei uns.“

„Unverdientermaßen“, entgegnet Arne. Unbemerkt ist er näher an mich herangetreten. Seine Nähe verwirrt mich. „Dein Laden ist der beste im ganzen Landkreis.“ Seine Finger berührten meinen Arm. Lächelnd beobachtet er das Aufstellen der kleinen Haare und die Gänsehaut, die sich bei mir ausbreitet. Doch dann zieht er abrupt seine Hand weg und räuspert sich. „Würdest du … mit mir … ich meine, hast du Lust, mit mir …“

Spontan will ich ablehnen. Es gibt viele Gründe, die gegen ein Treffen sprechen. Ich habe so gut wie gar keine Freizeit und will außerdem keine Beziehung. Das hier klingt nach einem Date und ich will kein Date. Wenn ich Sex will, dann gehe ich in einen Club und suche mir einen Kerl für die Nacht aus. „Okay“, höre ich meine eigene Stimme, obwohl mein Kopf das Gegenteil will. „Ich habe ab mittags frei. Was hältst du von einem Spaziergang auf dem Weihnachtsmarkt?“

„Superidee!“, antwortet Arne schnell. Er drückt mir einen Geldschein in die Hand. „Stimmt so. Ich hole dich um 16 Uhr ab. Vorher schaffe ich es nicht. Okay?“ Mechanisch nicke ich und schaue Arne hinterher, der sich an der Tür noch einmal umdreht und mich anlächelt. „Bis nachher, ich freue mich.“

Wie in Trance starre ich auf die sich schließende Tür. Mein Herz pocht laut in meiner Brust und meine Knie sind weich wie Wackelpudding. Was passiert hier mit mir? So etwas habe ich noch nie erlebt. Vor allem frage ich mich, was heute anders ist als an den letzten Tagen. Auch da habe ich Arne bereits bedient, doch unser Kontakt ist nie über ein normales Verkaufsgespräch hinausgegangen. Zumindest habe ich das so empfunden, auch wenn Klara etwas anderes behauptet. Eben war vom ersten Augenblick an eine besondere Spannung zwischen uns.

Zum Glück ist es um diese Zeit recht ruhig, damit ich mich wieder fangen kann, bevor der nächste Kunde in den Laden kommt. Die Gedanken in meinem Kopf schwirren umher und versuchen zu begreifen, was hier gerade passiert ist. Es gelingt mir nicht. Ich habe mich tatsächlich verabredet … obwohl ich das gar nicht will … oder doch? Doch, ich will das. Wenigstens für einen Nachmittag kann ich mir doch ein wenig Abwechslung vom tristen Alltag gönnen. Arne löst irgendetwas in mir aus, was ich lange nicht mehr empfunden habe und das tut mir gut.

 

Kurz nach 12 Uhr kommt meine Mutter endlich. Sie sieht erschöpft aus und ich bekomme sogleich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie hier für ein paar Stunden einbinde, bis Klara von der Arbeit kommt und die Abendzeit übernimmt. Die Pflege meines Vaters zehrt an ihren Kräften und ein Ende ist nicht in Sicht. Ich weiß, dass sie es gern tut, weil sie ihn liebt, aber der Einschnitt ins Leben ist nicht nur für ihn selbst gravierend. Mein Vater, der Zeit seines Lebens vor Energie und Tatkraft gestrotzt hat, hadert mit seinem Körper und der Hilflosigkeit. Immerhin hat er nach den ersten Wochen den Kampf angenommen und bemüht sich in der Reha nach Kräften. Das Sprechen gelingt ihm schon viel besser und nach und nach wird auch die Koordination wieder besser. Aber von dem Tag, ohne Hilfe auskommen zu können, ist er noch meilenweit entfernt.

„Hallo Felix, tut mir leid, dass es so spät geworden ist …“ Ohne ein Wort nehme ich meine Mutter in den Arm und halte sie fest. Es gibt keine tröstenden Worte und ich mag es nicht, wenn sie meint, sich entschuldigen zu müssen.

Während ich uns beiden einen Cappuccino aus der Maschine ziehe, zieht sie ihren Kittel an und wäscht sich die Hände. Aus dem Augenwinkel beobachtet sie mich und ich fühle mich gleich wieder in meine Kindheit versetzt. Obwohl ich fast dreißig Jahre alt bin, bemerkt meine Mutter immer gleich, wenn mich etwas beschäftigt. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns schon immer recht nahe gestanden haben. Im Gegensatz zu meinem Vater weiß sie, dass das, was ich gerade tue, nicht mein Traumberuf ist. Mehr als einmal hat sie mich ermuntert, meinen eigenen Interessen zu folgen und versprochen, mit meinem Vater zu reden. Der Versuch, lässig zu agieren und so zu tun, als ob ich ihren Blick nicht bemerke, schlägt wie erwartet fehl.

„Geh ruhig, wenn du heute noch etwas vor hast“, meint meine Mutter. „Ich komme hier schon allein klar.“

Kann sie hellsehen? Manchmal ist sie mir wirklich unheimlich. Da Leugnen zwecklos ist, gebe ich klein bei und erzähle ihr von meinem Treffen mit Arne. So wenig überrascht wie sie klingt, hat Klara ihr schon von dem speziellen Kunden erzählt. Ich muss wohl mit meiner Schwester mal ein ernstes Wort reden. Oder es ist tatsächlich so, dass ich der einzige in unserer Familie bin, dessen Gaydar nicht funktioniert und der nicht mitbekommen hat, dass Arne Interesse an mir zeigt.

„Das freut mich für dich.“ Meine Mutter nimmt mich in den Arm und drückt mich fest. „Es wird Zeit, dass du Dominik hinter dir lässt und endlich wieder jemanden findest, mit dem du zusammen sein willst.“

„So weit sind wir noch lange nicht und außerdem …“

„Es gibt immer einen Weg, wenn man sich liebt.“

Die Stimme meiner Mutter klingt energisch und im Grunde hat sie auch recht. Das beste Beispiel für eine funktionierende Beziehung steht schließlich direkt vor mir. Aber so weit sind wir tatsächlich noch lange nicht.

„Wir gehen nur auf den Weihnachtsmarkt, nicht mehr …“ Ich versuche das Treffen abzuschwächen, aber tief in mir keimt trotzdem die Hoffnung, dass es doch mehr ist … oder mehr daraus werden kann.

„Habt Spaß und genieße den Abend.“ Mama küsst mich auf die Wange und schiebt mich Richtung Tür. „Du bist jung und brauchst das. Wenn du willst, können Klara und ich morgen früh den Dienst übernehmen.“

Ich schüttle den Kopf. „Nein, das mache ich schon. Danke, Mama!“ Das wissende Lächeln, das sie mir schenkt, sagt mehr als Worte, aber sie widerspricht mir nicht. Für einen Augenblick bin ich versucht, dem Traum von einem freien Tag zu folgen. Doch ich kann es weder von ihr noch von meiner Schwester verlangen, noch mehr Zeit zu opfern. Wir müssen alle an unsere Grenzen gehen und Opfer bringen. „Tschüss, Mama!“ Auf einmal habe ich es eilig. Es ist zwar noch ein wenig Zeit, aber ich habe keinen Plan und muss mir Gedanken machen. Was soll ich anziehen?  Wo genau will ich mit Arne hin? Was soll ich von unserem Treffen erwarten? Verspreche ich mir zu viel davon? Was erwarte ich eigentlich genau?
 
TBC
 
Morgen geht es dann weiter bei Sissi Kaipurgay


Montag, 7. Dezember 2015

Adventskalender 8.Dezember 2015



Süßer Traum


Das schrille Läuten des Weckers reißt mich aus dem Tiefschlaf. Murrend drücke ich die Schlummertaste und gönnte mir noch ein paar Minuten. Unerbittlich wird das Unding in zehn Minuten wieder bimmeln und mich endgültig zum Aufstehen zwingen. Ich hasse meine Arbeitszeiten. Es gibt Schöneres, als mit den Hühnern aufzustehen, vor allem wenn man eigentlich ein Nachtmensch ist wie ich. Doch das wusste ich schon, als ich mich für diese Ausbildung entschieden habe. Mein Traumberuf war Bäcker und Konditor wahrlich nie, doch meinen Eltern zuliebe und weil ich selbst keinen besseren Plan hatte, habe ich nach dem Abitur mit der Lehre begonnen. Eigentlich wollte ich nur ein bisschen Zeit schinden, bis ich wusste, wie ich meiner Familie schonend beibringen kann, dass ich keine Lust habe, den Familienbetrieb weiterzuführen. Die sozialunverträglichen Arbeitszeiten allein reichen schon aus, um den Beruf nicht gerade zum Traumberuf werden zu lassen. Schließlich gibt es noch ein Leben neben der Arbeit. Blöd nur, wenn man immer dann ins Bett muss, wenn die Freunde den Abend gerade beginnen.

Von einem Tag auf den anderen hatte sich dann allerdings meine Aussicht auf eine andere Beschäftigung verändert. Als mein Vater einen Schlaganfall bekam, änderte sich auch mein Leben von Grund auf. Mir blieb gar keine andere Wahl, als die Tradition meiner Familie fortzuführen. Mein Urgroßvater hat die Bäckerei vor über einhundert Jahren eröffnet und der Betrieb wurde dann von Generation zu Generation weitervererbt. Nun sind meine Schwester und ich an der Reihe, wobei Klara gleich klargemacht hat, dass sie ihre Zukunft nicht um 3 Uhr morgens in einer Backstube sieht. Damit sie mithelfen kann, hat sie ihre Stundenzahl in der Versicherung, in der sie arbeitet, halbiert. Immerhin gibt es so wenigstens ein festes Einkommen, denn die Zahlen unseres Betriebes sind wirklich erschreckend. 

Auch wenn ich noch weit vom Wachzustand entfernt bin, kreisen meine Gedanken um die finanzielle Lage unseres Ladens. Es ist bestimmt nicht gesund, wenn sich jede bewusste Minute sich ums liebe Geld dreht, aber ich kann nichts dagegen machen. Murrend quäle ich mich aus dem Bett und gehe in die Küche. Mein erster Gang führt mich jeden Morgen hierher, denn ohne den ersten Becher mit heißem Kaffee, stark tiefschwarz, bin ich kein Mensch. Da ich meinen morgendlichen Zustand kenne, bereite ich die Kaffeemaschine immer schon am Abend vor. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich mich noch nie beim Rasieren geschnitten habe, wenn ich mal wieder im Halbschlaf vor dem Spiegel stehe. Die Hoffnung, mich jemals an diesen Tagesrhythmus zu gewöhnen, habe ich längst aufgegeben. Die Aussicht auf Jahrzehnte in diesem Trott ist allerdings mehr als furchterregend.

 Nach einer lauwarmen Dusche und ein paar eiskalten Spritzern Wasser sieht das Gesicht, das mir im Spiegel entgegenblickt, immerhin schon etwas besser aus. „‘n Morgen, Felix“, knurre ich halblaut mein Spiegelbild an. „Du siehst scheiße aus wie immer.“

Gähnend schleppe ich mich zum Anziehen zurück ins Schlafzimmer. Langsam beginnt der Kaffee zu wirken und die Routine tut ein Übriges. Bevor ich die knarrende Holztreppe von meiner Wohnung hinunter in die Backstube gehe, gieße ich mir noch einen zweiten Becher ein. Obwohl ich die Mansarde, in der ich während meiner Ausbildung gewohnt habe, mochte, ist mir die Entscheidung zum Umzug hierher nicht schwer gefallen. So kann ich jeden Morgen beinahe eine halbe Stunde länger schlafen und bin im Notfall auch schnell erreichbar, wenn ich später im Laden gebraucht werde.

 

Aus den Lautsprechern schallt laute Musik, als ich mit den Vorbereitungen für die ersten Backwaren beginne. Seit ich die Rezepte meines Vaters ein wenig geändert habe, schmecken die Brötchen wirklich gut und nach und nach steigt auch die Anzahl der neuen Kunden wieder an. Das ist auch dringend notwendig, um die Bäckerei vor der Insolvenz zu bewahren. Schon seit Jahren geht das Geschäft stetig zurück, weil die Kundschaft immer mehr zu dem Backshop im benachbarten Supermarkt abwandert. Obwohl es dort nur aufgebackene Fertigmischungen gibt, die mit handgemachten Bäckerschrippen nicht im Mindesten mithalten können. Aber es ist halt billig und bequem. Dass die Konkurrenz groß ist, war mir bewusst, aber wie prekär die Lage inzwischen ist, habe ich erst nach dem Studium der Bücher erkannt. Mein Vater hat die Augen vor dem Fiasko komplett verschlossen und weitergemacht wie bisher. „Qualität setzt sich irgendwann durch.“ Noch immer höre ich die schleppende Stimme bei der Antwort auf meine Frage, was er gegen den stetigen Umsatzrückgang unternommen hat. Die Tatsache, dass unser Laden die am Abend übriggebliebenen Backwaren für Bedürftige spendete, war zwar edel, aber auch unsere Familie braucht ein Einkommen zum Überleben. Noch im Krankenhaus nahm mein Vater mir das Versprechen ab wenigstens zu versuchen, den Laden zu halten. Zu der Zeit hoffte er wohl noch, selbst irgendwann einmal wieder einsteigen zu können. Aber das wird nie mehr passieren. Er konnte froh sein, wenn er einmal wieder ein normales Leben führen konnte. Nach den ernüchternden ersten Wochen fällt mir die Hoffnung zwar zunehmend schwer, aber ich halte meine Versprechen und werde zumindest ein Jahr lang durchhalten.

Als die erste Lage Brötchen im Ofen und die nächste vorbereitet ist, gehe ich hinüber in den Laden. Ich wische die Auslagen ab und schalte den Kaffeeautomaten an. Die Ausgabe für die Maschine übersteigt eigentlich unser Budget, aber um mit der Zeit zu gehen, muss eine Bäckerei heute Kaffee mit einer richtigen Crema ausschenken. Bisher allerdings bin ich wohl selbst mein bester Kunde, doch schließlich muss es auch einen Vorteil haben, Chef zu sein. Während ich auf das Klingeln der Zeitschaltuhr warte, gönne ich mir noch einen Latte Macchiato mit zwei Löffeln Zucker. Kaffee in jeglicher Variation ist eines meiner wenigen Laster.

Diesen Moment mag ich jeden Morgen am liebsten. Nur der Klang meiner Lieblingsmusik durchbricht die Stille. Mit dem heißen Milchgetränk in der Hand betrachte ich die Pralinen im Fenster. Auf die Eigenkreationen bin ich ein bisschen stolz, auch wenn sich bisher noch nicht genug Kunden darauf einlassen. Vielleicht lässt der Umsatz sich ankurbeln, wenn wir ein paar Stücke zur Werbung verschenken. Das muss ich einfach noch einmal durchrechnen. Pro zehn Euro Umsatz zwei Pralinen umsonst und einen Rabatt von einer Praline beim Kauf von mindestens zehn Stück. Wenn diese Biester nicht so viel Zeit bei der Herstellung benötigten, wäre es einfacher. Aber mir macht die Herstellung von Pralinen auf jeden Fall mehr Spaß als das Backen von Kuchen. Mit einem Lächeln im Gesicht rücke ich das Werbeplakat auf dem Verkaufstresen zurecht. Klaras Bild ist wirklich schön. Meine Schwester hat ein künstlerisches Talent, das ich ihr nie zugetraut hätte. „Ein Advent ohne Kalender ist wie Weihnachten ohne Baum!“ Ein Adventskalender neben einer geschmückten Tanne. „Wir bieten den besonderen Kalender … jeden Tag einzeln oder im Abo.“

Komplette Kalender haben wir vor dem 1.Dezember zwar nur wenige verkauft, aber im Laufe der ersten Tage sind es doch einige Kunden, die regelmäßig vorbeikommen. Überhaupt laufen die Tagesangebote recht gut. Es macht zwar viel Arbeit, jeden Tag eine neue Kleinigkeit zu entwickeln, aber der Spaß überwiegt und es war ein weiterer Weg, Kunden zu gewinnen. Viele Menschen freuen sich über die Abwechslung und sind gespannt, woraus die tägliche Überraschung besteht. Die Kommentare sind hauptsächlich positiv und wenn sich die Angebote herumsprechen, können wir bald vielleicht noch mehr unterschiedliche Dinge anbieten. Mundpropaganda durch zufriedene Kunden ist durch kein Geld der Welt zu ersetzen. Ob unser besonderer Kunde heute wohl auch wieder erscheint? Verträumt denke ich an den jungen Mann, der seit ein paar Wochen regelmäßig in den Laden kommt. Zunächst hat er alle paar Tage nur zwei Brötchen gekauft, seit die Pralinen im Angebot sind, probiert er jedes neue Stück aus und nun kommt er jeden Morgen, um das Adventstürchen zu kaufen. Seit ich ihn durch Zufall einmal selbst bedient habe, bleibe ich meist so lange im Laden, bis er da war. Wenn mein Liebesleben schon nur im Kopf stattfindet, darf ich mir doch wenigstens ein reales Traumbild gönnen. Der Kerl entspricht meinem absoluten Traumtyp. Seine Locken, die meist widerspenstig ins Gesicht hängen und von ihm unbewusst alle paar Sekunden weggepustet werden, und die strahlendblauen Augen, die wie mich wie ein Meer in seinen Strudel ziehen …

„Wartest du schon wieder auf deinen Traumprinzen? Kannst es wohl nicht abwarten.“ Als ich die Stimme meiner Schwester höre, zucke ich zusammen. „Tust du, ich sehe es dir an.“ Klara lacht, bevor sie sich an mich schmiegt und auf den Mund küsst. „Ist aber auch ein Sahneschnittchen. Lade ihn doch mal auf ein Date ein. Es wird Zeit, dass du mal wieder rauskommst.“

Mein Lachen klingt humorlos. „Gute Idee. Ich mache mich zum Affen und vergraule einen Kunden, indem ich ihn zu einem Date einlade, obwohl ich nicht mal weiß, ob er schwul ist. Außerdem sind Dates am Nachmittag immer sehr romantisch, wie ein Kindergeburtstag.“

Klara zieht mich in eine feste Umarmung und zwingt mich, ihr ins Gesicht zu schauen. „Du solltest wirklich mal wieder an deinem Gaydar arbeiten. Der ist schwul, garantiert. Und interessiert an dir ist er auch, sonst würde er dich nicht immer anschmachten, wenn er dich sieht. Ihr seid wahrscheinlich beide gleich verklemmt. Du arbeitest viel zu viel und hast dir mal eine Auszeit verdient. Einen Morgen schaffe ich mit Mamas Hilfe bestimmt auch allein und ich bin sicher, dass sie sofort zusagt, wenn wir ihr erzählen, für welch guten Zweck es ist.“

Die Unterhaltung läuft in eine Richtung, die mir nicht gefällt. Meine Schwester hat schon ein paar Mal versucht, mich an irgendwelche Kerle zu verkuppeln, seit die einzige Beziehung meines Lebens vor zwei Jahren in die Brüche gegangen ist. Sie gibt sich noch immer eine Mitschuld an der Trennung, weil sie mich damals früher nach Hause geschickt hat, damit ich Dominik überraschen kann. Ich hätte wahrlich auf den Anblick meines Freundes verzichten können, der gerade stöhnend seinen Schwanz in einem Kerl versenkte. In dem Augenblick, als ich die Wohnungstür aufschloss und die eindeutigen Geräusche aus dem Wohnzimmer hörte, brach eine Welt für mich zusammen. Doch nun bin ich froh, den Scheißkerl, der mich nach Strich und Faden betrogen hat,  los zu sein. Wie sich herausgestellt hat, war der Typ nicht der einzige, der in den fast vier Jahren unserer Beziehung zur Verfügung stand, wenn Dominik jemanden toppen wollte. Mit mir zu reden wäre wohl zu einfach gewesen. Ich habe nie bemerkt, dass ihm etwas fehlt. Im Gegenteil, ich habe selbst darauf verzichtet, mich ihm öfter hinzugeben, weil ich dachte, er mag mich anders lieber. Im Nachhinein kann man nur sagen, dass wir ein generelles Kommunikationsproblem hatten. Seltsamerweise verflog der erste Schmerz schnell, was mir zeigt, dass ich mir wohl die ganze Zeit etwas vorgemacht habe, als ich in ihm den Mann meines Lebens gesehen habe. Vielleicht war er auch nur jemand, der bereit war, die unchristlichen Arbeitszeiten und damit verbundenen Einschränkungen im privaten Leben zu ertragen. In der ersten Zeit nach der Trennung wollte ich meine wiedergewonnene Freiheit genießen und Spaß haben. Wenn ich in einen Club zum Tanzen ging, fand ich immer einen willigen Kerl zum Ficken. Warum sollte ich mich also erneut an einen einzigen Typen binden,  der mich am Ende doch enttäuschte? Niemand weiß allerdings besser als ich selbst, dass ich mir etwas vormache. Im Grunde bin ich ein Romantiker, der sich nach der großen Liebe sehnt … dem einen Mann, mit dem an meiner Seite ich alt werden will. Die Ehe meiner Eltern ist noch immer ein Vorbild für mich, auch wenn ich mir einen Mann als Partner wünsche. Spätestens als mein Vater erkrankte, ist die Aussicht auf eine neue Liebe allerdings immer unwahrscheinlicher geworden. Sozial unverträgliche Arbeitszeiten, die schon das Aufrechterhalten von Freundschaften erschweren, sind ein Ausschlusskriterium bei der Partnersuche.

„Ich kann mir meine Kerle allein aussuchen“, murre ich laut. „Hör auf, dich einzumischen.“  

„Das merkt man. Ich möchte fast wetten, dass du seit Dominik keinen Kerl mehr nahe an dich heran gelassen hast …“

„Ich werde ganz sicher nicht mein Sexleben mit dir diskutieren.“

Für mich ist die Diskussion damit beendet, daran lasse ich keinen Zweifel. Doch so schnell lässt meine Schwester sich nicht stoppen.

„Sex ist nicht alles, Bruderherz. Du kannst dir vielleicht selbst etwas vormachen, mir aber nicht. Ich weiß schließlich, wie du bist, wenn du wirklich glücklich bist. Als du mit Dominik zusammen warst, hast du von innen gestrahlt. Jetzt wirkt dein Lächeln meist aufgesetzt. Ich dachte wirklich, ihr beide seid ein Traumteam und ich mochte Dominik. Aber wenn ich ihn jetzt noch mal in die Finger bekomme, sollte er sich warm anziehen. Seit der Trennung bist du nicht mehr derselbe und ich bin stinkwütend auf den Kerl, der dir das angetan hat.“

Das Klingeln der Türglocke beendet unser Gespräch und Klara widmete sich dem ersten frühen Kunden, der zufrieden mit den ofenfrischen Brötchen abzieht, während ich zurück in die Backstube gehe.



Morgen geht es weiter bei Sissi Kaipurgay